Artikel von: Sven Günther
21.05.2024
Köppings Wunsch: Deutlich zweistellig!
Petra Köpping: Ich kümmere mich darum, was wirklich zählt
Region. Der WochenENDspiegel stellt führenden Politiker der Parteien zum Auftakt ins Wahljahr kritische Fragen. Nach CDU-Generalsekretär Alexander Dierks folgte Sabine Zimmermann, die in Sachsen für das Bündnis Sahra Wagenknecht federführend ist. Anschließend antworteten Jörg Urban, der Chef der sächsischen AfD und von den LINKEN Susanne Schaper. Zuletzt standen Robert Malorny von der FDP und Franziska Schubert von den GRÜNEN Rede und Antwort. Heute lesen Sie das Interview mit Petra Köpping, der Spitzenkandidatin der SPD.
Frau Köpping, was hat Sahra…?
REGIONALSPIEGEL:
Fragen Sie sich auch manchmal: Was hat Sahra, was ich nicht habe? Frau Wagenknecht würde mit ihrem Bündnis satte 13,5 Prozent Wählerstimmen holen.
Sie mit der SPD sechs Prozent. Wie erklären Sie sich diese Zahlen?
PETRA KÖPPING:
Nein, das frage ich mich nicht. Zunächst mal: Frau Wagenknecht tritt ja gar nicht in Sachsen an. Und die ist gerade nun mal, wie sie ist. Eine Krise jagt die nächste, viele Veränderungen passieren zeitgleich. Von vielen Menschen, mit denen ich tagtäglich im Gespräch bin, höre ich: Mir ist das einfach zu viel. Das verstehe ich. Aber um es klar zu sagen: Der Wahlkampf hat noch nicht mal richtig begonnen, die meisten Leute haben sich mit dem, was landespolitisch zur Wahl steht, noch nicht beschäftigt.
Das wird sich in den nächsten Monaten ändern, erst mit der Kommunal- und Europawahl, dann mit dem Landtagswahlkampf. Ich bin nicht angetreten, um mit sechs oder sieben Prozent durchs Ziel zu gehen. Da ist deutlich mehr drin. Ich kämpfe mit der SPD für ein deutlich zweistelliges Ergebnis. Dass ich gute Ergebnisse erzielen kann, habe ich mehrfach gezeigt: Bei Landtagswahlen habe ich die besten SPD-Ergebnisse erzielt.
Köpping: Dulig wurde nicht rasiert!
REGIONALSPIEGEL:
Von Abraham Lincoln scheinen Sie nichts zu halten. Er hat schon 1864 gesagt: „Mitten im Fluss soll man nicht die Pferde wechseln.“ Die SPD tut in schwierigen Zeiten genau das, rasiert Martin Dulig ab und setzt Sie auf Platz 1. Welche Überlegungen stecken hinter dieser Personalie? Noch dazu, weil Sie als „Corona-Ministerin“ – ob zu Recht oder Unrecht – im Fokus der Kritik standen.
PETRA KÖPPING:
Als Lincoln das vor 160 Jahre sagte, befanden sich die Vereinigten Staaten gerade im blutigen Sezessionskrieg. Das ist wohl kaum mit Heute vergleichbar. Hier wurde niemand ‘abrasiert’. Für so eine Cowboy-Rhetorik bin ich nicht zu haben. Martin Dulig übrigens auch nicht.
In der sächsischen SPD gehen wir ordentlich miteinander um. Wir haben gemeinsam überlegt: Was ist jetzt der richtige Weg, wer ist die richtige Person an der Spitze. Meine Devise, nicht nur im Wahlkampf, ist: Teamwork. Und da haben wir diese Entscheidung gemeinsam getroffen.
Wenn man die Leute in Sachsen fragt: Welche Politiker kennen Sie? Dann kommt natürlich erstmal der Ministerpräsident. Aber als zweites sagen sie Petra Köpping. Gerade jetzt sind doch Politikerinnen mit großer Erfahrung wichtig, und die habe ich. Sowohl kommunal als auch auf Landesebene. Als Landrätin und Landtagsabgeordnete, als Ministerin. Und ich habe Erfahrung aus zwei Systemen und der Wendeumbrüche nicht nur vom Hörensagen, ich war da hautnah dabei und in Verantwortung. Nicht zuletzt habe ich große Erfahrungen in der Bewältigung von Krisen.
Verantwortung während der Pandemie
Und ja, ich habe während der Pandemie Verantwortung getragen. Damit wird man auch zum Gesicht der Corona-Politik. Und natürlich waren nicht immer alle Menschen damit einverstanden, was wir damals gemeinsam entschieden haben. Übrigens immer auf Rat von Experten und nach dem Stand der Forschung, den wir damals eben hatten. Wir dürfen nicht vergessen: Es ging ganz konkret darum, Menschenleben zu retten, in Größenordnungen! Und das ist gelungen.
Selbst die Kritiker sagen mir: Frau Köpping, Sie haben sich wenigstens der Debatte gestellt, Sie haben erklärt, wo sich andere weggeduckt haben. Das war damals ja wirklich fast eine Ein-Frau-Show. Ich musste mich jede Woche der Presse stellen, während manche Kollegen in der Regierung sich den Auseinandersetzungen entzogen haben.
Aber das ist meine Art Politik zu machen: Ich höre die Experten, spreche mit Betroffenen, treffe Entscheidungen und erkläre und stehe dann auch dazu. Und ich habe kein Problem damit, kritisch auf damalige Entscheidungen zu schauen.
Das ist doch klar, nach heutigem Stand wäre manches nicht notwendig gewesen, einiges hätte besser vorbereitet werden müssen. Deswegen muss man das auch ganz sachlich aufarbeiten. Deswegen habe ich ja vorgeschlagen, dass sich der Landtag in der nächsten Legislatur in einer Kommission ausführlich und sachlich damit befasst, damit wir für die Zukunft gewappnet sind.
REGIONALSPIEGEL:
Sie haben sich einen Spruch eines ihrer Lehrer angeblich zu Herzen genommen. „Das musst du dir bewahren. Außen Stacheln und innen ein weicher Kern.“ Sind Sie nicht viel zu wenig stachlig, um mehr aufzufallen und damit mehr Wählerstimmen zu bekommen?
PETRA KÖPPING :
Wer Politik nur betreibt, um aufzufallen oder Wählerstimmen ‘abzugreifen’, sollte überlegen, ob er oder sie den richtigen Job hat. Wer mich kennt, weiß das mit den Stacheln zu deuten. Denn da geht es um die Sache.
Wenn einer versucht, mangelnde Argumente mit möglichst lautem Gebrüll zu kaschieren, spürt er eben meine Stacheln. Für billige Angriffe um der Angriffe willen bin ich nicht zu haben. Das bringt am Ende auch keine Wählerstimmen.
Aber klar ist doch auch: Wenn ich etwas anders sehe, als z.B. der Ministerpräsident, dann sag ich ihm das auch. Zuerst natürlich intern, aber wenn es sein muss, auch nach außen. So wie z.B. beim Cannabisgesetz. Mir geht es um Lösungen und einen respektvollen Umgang. Immer wieder zu polarisieren, wie es andere tun: Das löst doch kein einziges Problem. Dafür muss man doch Partner und Mehrheiten finden. Und das gelingt nicht, wenn man auf das Spaltende statt das Verbindende setzt.
Ich mag die Menschen in Sachsen, und bekomme viel positive Resonanz, wenn ich tagtäglich mit den Leuten spreche. Und zwar nicht weil ich ihnen nach dem Mund rede, sondern so bin, wie ich bin.
Köpping kümmert das Gendern nicht
REGIONALSPIEGEL:
Im Wahlprogramm der SPD wird u.a. von Erzieher:innen und Lehrer:innen gesprochen. Auf Ihrer persönlichen Internet-Präsenz umgehen Sie die Gender:*Innen-Manie. Grenzen Sie sich in diesem Punkt bewusst vom Parteislang ab?
PETRA KÖPPING:
Man kann sich den lieben langen Tag damit beschäftigen, wie Leute verschiedene Geschlechter ansprechen. Ich kümmer mich lieber darum, was wirklich zählt. Natürlich kann man z.B. in den Schulen das untersagen. Wenn man aber eine Million Stunden Unterrichtsausfall im ersten Halbjahr hat, hätte ich andere Prioritäten. Vor jeder Klasse muss ein Lehrer stehen. Oder eine Lehrerin. Hauptsache da steht jemand. Darum geht es doch!
Wir schreiben niemandem vor, wie er oder sie zu sprechen oder zu schreiben hat. Wenn jemand gendern will, soll er es tun, wenn nicht, soll er es lassen. Von Verboten halten ich gar nichts. Ich bin da für Gelassenheit.
REGIONALSPIEGEL:
Von 1989 bis 1990 waren Sie Bürgermeisterin von Großpösna. In einem beachtenswerten Interview bei „JUNG&naiv“ verrieten Sie, dass Sie anschließend NIE MEHR Politik machen wollten. Sie sind dann in den Außendienst einer Krankenkasse gegangen. Aus welchen Gründen wechselten Sie – trotz beruflicher Erfolge – zurück und haben Sie es bereut, sich anders entschieden zu haben?
PETRA KÖPPING:
Der Pfarrer von Großpösna hat mich gefragt, regelrecht angefleht: Petra, du musst das jetzt machen. Wir brauchen dich. Und nein, bereut habe ich das nie. Sonst würde ich das ja nicht mehr machen. Ich habe das wirklich von klein auf gelernt und bin mit den Aufgaben gewachsen – als Bürgermeisterin eines Dorfes, später als Landrätin, jetzt als Ministerin.
REGIONALSPIEGEL
Ich muss mit einer persönlichen Befindlichkeit enden: Sie machen mich ärgerlich! Meist fällt es mir leicht, Politikern parteiunabhängig provokante Fragen zu stellen.
Bei Ihnen gelingt mir das nicht. Das „Jung&naiv“-Interview ist von einer seltenen Offenheit, auch das ABC-Format im SPD-Wahlprogramm ist (ohne auf den Inhalt einzugehen) einzigartig. Warum schaffen Sie es nicht, das in Wählerstimmen umzumünzen?
PETRA KÖPPING:
Beim Fußball würde man sagen, ein Spiel dauert 90 Minuten. Und das Spiel ist im Übrigen noch nicht einmal angepfiffen. Jetzt fängt der Wahlkampf an, die Leute müssen sich ja erst mal mit den Inhalten und den Kandidatinnen und Kandidaten beschäftigen. Ich bin da ganz zuversichtlich, was den Ausgang angeht. Denn wir werden kämpfen. Die SPD in Sachsen ist wichtiger denn je.