Artikel von: Sven Günther
03.05.2021
Finanzamts-Zoff geht weiter
Die Lösung in Klammern
Von Sven Günther.
Erzgebirge. Es gibt in der Mathematik keinen Deutungsspielraum, selbst wenn man Finanzminister ist und mit Zahlen umzugehen in der Lage sein sollte. Trotzdem versucht Hartmut Vorjohann eine neue Sichtweise der Addition.
Nachdem er den geplanten Neubau eines zentralen Finanzamtes in Annaberg-Buchholz vom Tisch gefegt hat, erklärt seine Sprecherin Sandra Jäschke auf Nachfrage des WochenENDspiegel: „Das 2011 verabschiedete Standortkonzept wurde damals in Gänze aller Maßnahmen hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit betrachtet und für sinnvoll erachtet. Durch die Schaffung größerer Struktureinheiten sollte in organisatorischer und personalwirtschaftlicher Sicht mehr Flexibilität geschaffen werden. Die Eckpunkte dieses Konzeptes haben für die Finanzverwaltung nach wie vor Bestand. So wird es weiterhin nur noch EIN Finanzamt pro Landkreis geben.“
EIN Finanzamt??? Dabei ist geplant, an den Standorten Stollberg, Schwarzenberg und Annaberg-Buchholz festzuhalten, nur Zschopau zu schließen. Eins + eins + eins = EINS?
In Annaberg-Buchholz gibt es heftige Kritik an der Entscheidung, das zentrale Finanzamt nicht zu bauen. Oberbürgermeister Rolf Schmidt hat ein Protestschreiben an Ministerpräsident Michael Kretschmer geschickt, dass alle Stadtratsfraktionen unterschrieben haben:
Die Eckpunkte:
Der Plan, den Finanzamt-Ausbau nicht wie beabsichtigt fertig zu stellen, zeigt, dass politisch gefasste Beschlüsse keine Wertigkeit und Verlässlichkeit mehr besitzen.
Vom Kabinett gefasste Beschlüsse und Gesetze sollten auch nach einem Wechsel der Regierungskoalition gelten. Dieser Grundsatz scheint beim Finanzminister keine Gültigkeit zu haben
Noch im Februar 2020 habe Ministerpräsident Michael Kretschmer OB Schmidt bestätigt, dass kein Zweifel daran bestünde, dass das zentrale Finanzamt gebaut werden würde.
Noch im Dezember 2018 lautet die Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Tischendorf (DIE LINKE): Die Sächsische Staatsregierung hat ein umfassendes ressortübergreifendes Standortkonzept auf den Weg gebracht, welches die Reduzierung auf 17 Finanzämter im Freistaat vorsieht – jeweils ein Finanzamt pro Landkreis. Die Finanzämter im Erzgebirgskreis werden in Annaberg-Buchholz zusammengeführt werden
Heute schreibt das Finanzministerium dem WochenENDspiegel: „Im Zuge der Evaluierung zeigte sich, dass sich in den vergangenen zehn Jahren neue, insbesondere neue technische Möglichkeiten ergeben haben. Infolge dessen wurde die 2011 noch ausgeschlossene Einrichtung von Finanzämtern mit mehreren Standorten (Außenstellen) neu bewertet.
Sie wird nun unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht.
Die Lösung der Finanzminister-Rechnung finden wir in Klammern. Die bislang als Standort geltenden Finanzämter Stollberg und Schwarzenberg werden zu Außenstellen umdeklariert – und schon hat das gewünschte EINE Finanzamt.
Weiter heißt es: „Vor diesem Hintergrund wurden alle einzelnen Maßnahmen mit Blick auf unsere Finanzämter nochmals hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und möglicher Varianten betrachtet. Die daraus resultierenden Erkenntnisse, die sich in der Fortschreibung des Standortkonzepts niederschlagen, stehen nicht im Widerspruch zur 2011 erfolgten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Gesamtkonzeptes. Vielmehr entsprechen sie der Maßgabe der bürgernahen Verwaltung aus dem Koalitionsvertrag. Mit Blick auf Annaberg-Buchholz wird sich die Zahl der vor Ort tätigen Bediensteten im Finanzamt deutlich erhöhen.“
Auch Landrat Frank Vogel meldete sich zu Wort. „Es kann nicht sein, dass der im Zuge der Kreis- und Funktionalreform 2008 beschlossene Interessensausgleich für Kommunen, wie zum Beispiel die Zentralisierung der Finanzämter auf den Standort in Annaberg-Buchholz, die Ansiedelung eines Finanzamtes für Sonderaufgaben in Schwarzenberg oder die Zusicherung der Verlagerung des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr nach Zschopau im Erzgebirgskreis keinen Bestand mehr haben. Ich appelliere im Interesse der Kommunen, die von den neuen Entscheidungen aus Dresden benachteiligt werden, an die Verlässlichkeit der sächsischen Politik.“