Artikel von: Judith Hauße
01.03.2019
Im Osten nichts Neues: HWK entdeckt Lehre mit Abitur wieder
Von Judith Hauße
Region. Lehre und Abitur im Doppelpack? Gibt‘s nicht, gibt‘s wohl oder besser gesagt wieder. Denn das Konzept Berufsausbildung mit Abitur war bereits zu DDR-Zeiten ein durchaus gängiges Bildungssystem bis es allerdings nach der deutschen Wiedervereinigung schlichtweg ins Aus katapultiert wurde. Knapp 30 Jahre danach hat die Handwerkskammer Chemnitz nun aber das Duo aus Berufsausbildung und Abitur wiederentdeckt und bietet dieses ab Herbst erstmals nach der Wende wieder an.
Den Anfang macht dabei der Ausbildungslehrgang zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Und das nicht von ungefähr, wie Dr. Olaf Richter, HWK-Geschäftsführer Bildung erklärt. „Das Berufsfeld des Elektronikers ist bezüglich der eingetragenen Ausbildungen im Kammerbezirk momentan auf Platz zwei. Allein in der Region gibt es aktuell über 600 offene Lehrstellen im Elektro- sowie im Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk, davon insgesamt 45 im Kammerbezirk Chemnitz.“
Zudem macht Richter darauf aufmerksam, dass die Suche nach leistungstarkem Nachwuchs inzwischen wichtiger denn je sei. „Das Handwerk ist moderner geworden, es gibt bessere Karriere- und Qualifizierungschancen als viele Schüler/innen und Eltern wissen. Und das Interesse bei den regionalen Unternehmen ist groß.“
Insgesamt vier Jahre dauert die neue Bildungsmarke „Berufsabitur“, bei der gleichzeitig der Gesellenbrief und die Hochschulreife erworben werden können. „Die Ausbildung beginnt mit einem halben Jahr gymnasialem Unterricht am Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft, Gesundheit und Technik in Werdau, gefolgt von der Lehrausbildung in regionalen Betrieben sowie zusätzlich am Beruflichen Schulzentrum für Technik in Zwickau“, erklärt HWK-Geschäftsführer Bildung Dr. Olaf Richter. Allerdings nicht ganz ohne gewisse Voraussetzungen, wie Thomas Böttger, Schulleiter am BSZ für Technik „August Horch“ weiß. „Für die Aufnahme in die Klassenstufe 11 des Beruflichen Gymnasiums ist der Realschulabschluss mit einem Gesamtnotendurchschnitt von mindestens 2,5 oder ein gleichwertiger mittlerer Schulabschluss notwendig bzw. erfüllen auch Gymnasiasten, die eine Versetzung in die Klasse 11 in Aussicht haben, die Aufnahmevoraussetzungen des Beruflichen Gymnasiums.“ Anmeldeschluss für den ersten Ausbildungsjahrgang am BSZ ist der 31. März 2019. Zudem sollten sich Interessierte bereits auch schon bei einem potenziellen Ausbildungsbetrieb bewerben, wie Böttger weiter deutlich macht.
Grundlage für das Berufsabitur ist ein bereits seit 2011 laufendes Modellprojekt „Duale Berufsausbildung mit Abitur Sachsen“, kurz DUBAS, das gemeinsam mit den sächsischen Industrie- und Handelskammern initiiert wurde. Nun sollen die Pilotversuche, die schließlich schon in einigen Industrieberufen existieren, auf das Handwerk angepasst werden. Den Anfang macht der erste Ausbildungslehrgang Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. „Weitere Berufszweige, wie Industrie- und Metallbau sollen folgen“, so Richter.
Vor allem leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, die gern praktisch arbeiten und trotzdem nicht auf das Abitur verzichten wollen, sollen mit dem wiederauflebenden Bildungskonzept „Berufsabitur“ angesprochen werden, wie Handwerkskammer-Präsident Frank Wagner betont. „Wir brauchen auch in Zukunft kluge und karrierebewusste Köpfe im Handwerk. Dank des Berufsabiturs und auch der bereits guten Arbeit an den Fachoberschulen spricht sich in Sachsen herum, dass man ebenso im Handwerk Karriere machen und gutes Geld verdienen kann.“ Denn nicht zuletzt leiden inzwischen viele Berufszweige, allen voran das Handwerk, unter den wachsenden Drang junger Menschen, die den akademischen Weg einschlagen. Aus diesem Grund stößt die Handwerkskammer Chemnitz mit der Wiedereinführung der Berufsausbildung mit Abitur bei zahlreichen Unternehmen der Region auf großes Interesse.
So beispielsweise auch bei der Zwickauer Firma Omexom Ebehako GmbH. „Die Berufsausbildung mit Abitur ist ein durchaus solider praxisbezogener Ausbildungsweg. Denn dadurch bekommt der Auszubildende gleich von Beginn an einen umfangreichen Einblick in die wichtigsten Aufgaben im Unternehmen, weiß dementsprechend auch welche Kernkompetenzen die Firma auszeichnet und kann schneller verantwortungsvolle Tätigkeiten übernehmen“, betont Geschäftsführer Michael Barnitzki.
Neben Sachsen startet das Pilotprojekt in den kommenden Schuljahren auch in anderen Bundesländern, wie Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.